…damit Freiburg für alle bezahlbar wird!
1. Im Rahmen der allgemeinen Daseinsvorsorge sind die Gemeinden verpflichtet, dazu beizutragen, dass allen BürgerInnen ein menschenwürdiges Leben im Geiste von Freiheit, Gleichheit und solidarischem Miteinander möglich ist.
2. Wohnen gehört zu den existenziellen Grundbedürfnissen des Menschen. Dieses Menschenrecht zu schützen ist eine Kernaufgabe der Gemeinden. Im Bereich des Wohnens spiegeln sich im besonderen Maße die gesellschaftlichen Besitz-, Macht- und Lebensverhältnisse wider. Deshalb braucht Freiburg dringend einen Armuts- und Reichtumsbericht, in dem Wohnen eine besondere Bedeutung beizumessen ist.
3. Der Gemeinderat soll sich dabei am Grundgesetz orientieren, wonach Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen muss. Die neoliberale, ideologisch geprägte Ausrichtung an den Gewinnmaximen der dominierenden Betriebswirtschaftslehre ist vom Gemeinderat für den Handlungsbereich der Stadt abzulehnen.
4. Der Bürgerentscheid vom 12. 11. 2006 hat in aller Deutlichkeit den Willen der Freiburger Bürgerschaft bekundet, dass die Stadt eine sozial verträgliche und nachhaltige Wohnungspolitik betreiben und die Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) als vorbildlich soziales Wohnungsunternehmen weiter führen soll.
5. Die Stadt muss alle Möglichkeiten nutzen, die vielfach überhöhten Mietpreise in Freiburg einzufrieren und wo möglich wieder zu senken. Sie hat dafür zu sorgen, dass in Freiburg ein Mietwohnungsangebot existiert, das sozial verträglich, für breite Schichten der Bevölkerung ohne weiteres bezahlbar und von der Wohnqualität her den heutigen Standards genügend ist.
6. Freiburg ist im Umweltbereich mitunter eine vorbildliche Kommune. Es ist an der Zeit, alle Kräfte dafür einzusetzen, dass Freiburg auch als eine Stadt mit sozial besonders nachhaltigen Strukturen und Konzepten von sich reden macht. Nur so kann die Stadt den von ihr unterschriebenen „Aalborg-Committments“ (über 2000 Städte und Gemeinden in Europa haben sich hiermit zu einer sozial und ökologisch nachhaltigen Politik, zu Integration und Bürgerbeteiligung verpflichtet) gerecht werden.
7. Die Stadt muss sich in ihrer Mietenpolitik an den sozialen Interessen der Menschen, insbesondere derer, die sich am „freien Markt“ nicht selbst versorgen können, orientieren. Sie wird dabei auch ihrer Verantwortung für alle BürgerInnen, die zunehmend unter der allgemeinen Verteuerung der Lebenshaltungskosten leiden, gerecht.
8. Wohnen ist mehr, als ein Dach über dem Kopf zu haben. Die städtischen Wohnungen sind in einen mangelfreien Zustand zu bringen und fortlaufend instandzuhalten. Notwendige Modernisierungs- u. Sanierungsarbeiten müssen ökologischen und heutigen technischen Standards genügen. Sie müssen gesunde Wohnbedingungen erhalten oder schaffen. Sofern Modernisierungsmaßnahmen Mieterhöhungen zur Folge haben, dürfen sie erst nach ausdrücklicher Zustimmung der MieterInnen in Angriff genommen werden.
9. Der Beschluss des Gemeinderates und des Aufsichtsrates der Freiburger FSB, generell und automatisch die Mieten der Wohnungen des Amts für Liegenschaften und Wohnungswesen und der FSB an die Grenzen des Mietspiegels heranzuführen, muss aufgehoben werden. Die aktuelle Praxis der Geschäftsführung der FSB, ohne nähere Prüfung der konkreten Umstände, Bedingungen und Auswirkungen tausende Mieterhöhungen flächenmäßig bis an die Grenzen des Legalen durchzusetzen ist zu beenden. Ob und inwieweit Mieterhöhungen sinnvoll, angemessen und verhältnismäßig sind, muss stets mit den betroffenen Mietparteien, den Mietervertretungen und den Mieterbeiräten erörtert werden und dann in den politischen Gremien beraten und entschieden werden. Für Situationen, bei denen es keine Einigung geben sollte, ist eine paritätisch besetzte Schiedskommission einzurichten.
10. Da die FSB immer weniger ihrer sozialen Verantwortung für die Mieterschaft gerecht wird, ist es unverzichtbar, dass die Entscheidungen über die Mietpreisgestaltung bei der FSB und den Wohnungen des Amts für Liegenschaften und Wohnungswesen wieder – wie früher – in die Hand des Gemeinderates gelegt werden. Hier geht es um grundlegende Weichenstellungen für tausende Familien und Haushalte in dieser Stadt, mit einer deutlichen Signalwirkung für den gesamten Freiburger Wohnungsmarkt. Deshalb muss diese soziale Verantwortung wieder beim zentralen Selbstverwaltungsorgan der Bürgerschaft liegen.
11. Um die überhöhte Mietpreisentwicklung der letzten Jahre zu beenden, erwarten wir vom Gemeinderat einen Beschluss, dass ab sofort für zunächst zwölf Monate im eigenen Wohnungsbestand der Stadt und der FSB keine Mieterhöhung mehr durchgeführt wird.
12. Der unsoziale Beschluss, wonach die FSB jährlich in Millionenhöhe Grundstücke von der Stadt kaufen muss, was einer verdeckten Gewinnabführung gleichkommt, ist aufzuheben. Es kann nicht angehen, dass die MieterInnen die Folgen und Lasten des strukturellen Defizits der Stadt Freiburg zu tragen haben.
13. Aus den Erfahrungen mit dem aktuellen Mietspiegel erscheint es notwendig, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um bei der Erstellung künftiger Mietspiegel darauf zu achten, dass ein weiteres Drehen an der Mietpreisspirale in Freiburg unterbleibt. Heute dient der Mietspiegel vielen Vermietern, nicht zuletzt der FSB, als willkommenes Mieterhöhungsinstrument. Gemeinsam mit den Organisationen der Mieter, u.a. WiM, sind neue Regulationsinstrumente zu entwickeln.
14. Da Freiburg zu den Städten mit besonders teuren und wenig preiswerten Mietwohnungen gehört, muss der Gemeinderat ein Ausgleichsinstrument für all die BürgerInnen schaffen, deren Grundmieten mit Nebenkosten ein Viertel ihres Nettoeinkommens übersteigen und damit deren Lebensqualität und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erheblich beschränken. Ein städtisches Wohngeld gab es bereits in den 80er Jahren. Es ist an der Zeit, auf ein solches oder ähnliches Modell zurückzugreifen.
15. Die Stadt muss durch besonders preiswerte Mieten, durch eine soziale und mieterbeteiligungsfreundliche Bewirtschaftung sowie durch ökologische Nachhaltigkeit eine Vorbildfunktion auf dem Wohnungsmarkt einnehmen. Gerade durch eine mieterfreundliche Unternehmensführung, insbesondere durch Mitbestimmungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten der MieterInnen könnten die Wohnqualität in den Quartieren nachhaltig verbessert und die Bewirtschaftskosten gesenkt werden. Die MieterInnen sind bei allen sie betreffenden wichtigen Planungen und Entscheidungen unmittelbar zu beteiligen.
16. Aufgrund der vielfachen sozialen Belastungen und Benachteiligungen ist die bislang erfolgreiche Gemeinwesen- und Quartiersarbeit weiter zu fördern und auszubauen. Ziel dieser Prozesse sind die Integration und Beteiligung aller BürgerInnen vor Ort.
17. Die FSB hat gegenüber den Mieterbeiräten das Prinzip der Gläsernen Taschen herzustellen. Die Bilanzen sind offen zu legen und die Verwendung der Mieteinnahmen ist in allen Wohnungsbezirken den jeweiligen Mietern darzustellen. Die MieterInnen haben ein Recht darauf, zu erfahren, was mit ihrem Geld konkret geschieht. Bürgerbeteilung beim städtischen Haushalt muss auch eine Haushaltsoffenlegung und – beteiligung bei den städtischen Unternehmen zur Folge haben.
18. In dieser Logik sind für alle Wohnquartiere die aktuellen effektiven Kosten dieser Wohnungsbestände jeweils im Detail und allgemeinverständlich offen zu legen. Ferner ist darzustellen, wie viel bisher an Instandhaltungspauschalen gezahlt worden und was mit diesen Geldern geschehen ist. Ab sofort sind quartiersbezogene Konten einzuführen, die für alle MieterInnen eine transparente Bilanz ihrer Wohneinheit verständlich darstellen.
19. Die Nebenkosten sind längst zu einer zweiten Miete geworden. Die badenova, an der die Stadt maßgeblich beteiligt ist, trägt durch ihre Hochpreispolitik nicht unwesentlich zur Verschärfung der Armut in Freiburg bei. Der Gemeinderat soll von der badenova die Ausnutzung aller Möglichkeiten um Preissenkungen für Strom und Gas herbeizuführen, fordern. Auch hier ist das Prinzip der Gläsernen Taschen einzuführen. Diese Forderungen gelten selbstverständlich sinngemäß ebenso für den Bereich des Wassers- und Abwassers sowie die Müllentsorgung. Transparenz bedeutet letztlich auch, dass alle BürgerInnen darüber informiert werden, in welchem Maße über die Nebenkosten der öffentlichen Nahverkehr subventioniert wird.
20. Da die Mietpreise u.a. durch ein ständiges Unterangebot an preiswerten Wohnungen in die Höhe getrieben wurden, muss die Stadt aktiv in den Wohnungsmarkt eingreifen. Hierzu sollte sie zum einen zinsgünstige Erbpachtgrundstücke zum Neubau preiswerter Mietwohnungen zur Verfügung stellen. Dabei sind MieterInnengenossenschaften zu bevorzugen. Auch die bewährte Politik, der Sicherung von Belegungs- und Mietpreisbindungen ist weiter auszubauen. Zum anderen sollte die Stadt eine aktive Liegenschaftspolitik betreiben. Die FSB soll ihren Wohnungsbestand systematisch ausbauen. Neben Neubauprojekten ist auch der Erwerb preiswerte Mehrfamilienhäuser oder größerer Wohnungsbestände voranzutreiben.
21. Wohnen ist für den Arbeitsmarkt und die lokale Wirtschaft von ganz besonderer Bedeutung. Dies betrifft die unmittelbar Beschäftigten Arbeitnehmer ebenso wie das Handwerk und andere Bereiche des Mittelstandes. Gezielte Investitionen in diesem Bereich können eine nachhaltige Wirkung zur Verringerung der Arbeitslosigkeit, zur Förderung attraktiver Beschäftigungsangebote und zur Erhöhung der Lebensqualität breiter Schichten der Bevölkerung erzielen. Nicht zuletzt könnte die Stadtkasse über die Gewerbesteuer davon profitieren. Dabei sind auch und gerade innovative Modelle im Sinne der Gemeinwesenökonomie oder der Solidarwirtschaft zu fördern.
22. Die Beschäftigten der FSB und des Amtes für Liegenschaftswesen und Wohnungsamt haben oftmals gegenüber der Mieterschaft und der Öffentlichkeit einen schwierigen Stand, weil sie eine Politik ihrer Geschäftsführung bzw. der dahinter stehenden Gemeinderatsmehrheit umsetzen müssen. Ihre Leistung, Verantwortungsbereitschaft, Kreativität und Arbeitsmotivation werden in der Öffentlichkeit kaum erwähnt. Konflikte, Frustration und vielfach Krankheit sind logische Folgen dieser Entwicklung. Der Gemeinderat hat deshalb auch für die Beschäftigten in diesem Bereich für vorbildliche Beschäftigungs- und Mitbestimmungsverhältnisse Sorge zu tragen. Soziales und mieterfreundliches Engagement der MitarbeiterInnen sind ebenso wie ihre wohnungswirtschaftliche Innovation zu fördern. MieterInnen und MitarbeiterInnen der FSB und des ALW sollten partnerschaftlich Hand in Hand arbeiten dürfen. Gemeinsam leisten sie schon heute eine immense Stadtrendite, die bislang nirgendwo Erwähnung findet.
Dieser Entwurf eines sozial nachhaltigen mietenpolitischen Programms für Freiburg ist eine grundlegende über den Tag hinausweisende Orientierung für mehr soziale Gerechtigkeit und soziale Nachhaltigkeit in unserer Stadt. Die Bürgerinitiative Wohnen ist Menschenrecht greift mit diesem Programm zahlreiche Vorschläge und Anregungen aus Diskussionen und Gespräche auf, die vor, während und nach der Bürgerentscheidsdebatte im Jahre 2006 geführt wurden. Bewusst wird von einem Entwurf gesprochen, weil eine solche zukunftsorientierte Wegweisung eines weiteren öffentlichen Diskurses in der Bürgerschaft bedarf.
Bürgerinitiative „Wohnen ist Menschenrecht“ – Freiburg, den 29. 4. 2008
Ebenso steht der Entwurf hier für Sie als Download (.pdf) bereit.
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