An
die Freiburger Öffentlichkeit und Presse,
den Freiburger Gemeinderat,
im Oktober 2011 haben Sie einen interfraktionellen Antrag zum Thema Wohnungspolitik gestellt, der zu einem kommunalen Handlungsprogramm für mehr Wohnungsbau für alle Menschen in Freiburg und für sozial gemischte Stadtteile führen soll. Wir begrüßen diese Initiative und die wichtigen Fragestellungen und Vorschläge in Ihrem Antrag.
Wir haben zu diesem Themenkomplex auch noch einige weitere Anliegen und Fragen, die wir Ihnen in diesem Schreiben erläutern wollen mit der Bitte, sie in der weiteren Debatte angemessen zu berücksichtigen.
Um dem Problem der Wohnungsnot und der hohen Mietpreise zu begegnen, setzt der Antrag vor allem auf Wohnungsneubau. Neue Wohnungen sind notwendig. Jedoch hilft dies oft gerade finanziell schwächeren MieterInnen nicht. Untersuchungen zeigen, dass eine Steigerung des Wohnungsangebots allein das Problem fehlender bezahlbarer Wohnungen nicht lösen kann. Der viel zitierte „Sickereffekt“ tritt nicht ein, vor allem deshalb, weil sich die Miete frei werdender Wohnungen bei einer Neuvermietung in aller Regel deutlich erhöht.[1]
Deshalb ist unser großes Anliegen, dass Sie sich neben den Überlegungen zur „Innenentwicklung“ vor allem dafür einsetzen, dass preiswerter (städtischer) Wohnungsbestand erhalten und durch Rück- und Zukäufe erweitert wird.
Mit dem Erhalt bezahlbarer Wohnungen meinen wir,
- dass Abriss von Altbauten vermieden und sozialverträgliche, warmmieten-neutrale Sanierung ohne Verdrängung der MieterInnen angestrebt werden soll;
- dass es bei Auslaufen von Sozialbindungen bei Wohnungen der Freiburger Stadtbau keinen Automatismus zur Mieterhöhung geben darf. Ehemalige geförderte Wohnungen sollen generell 25% unter dem Mietspiegel gehalten werden, da sich das Einkommen der MieterInnen nach Ablauf der Sozialbindung in aller Regel nicht erhöht;
- dass die Stadt Privatisierung von Wohnraum verhindert, wo sie die Möglichkeit dazu hat (wie beim geplanten Verkauf der GAGFAH-Wohnungen in Herdern geschehen);
Erweitert werden kann der städtische Wohnungsbestand z.B. durch den Rückkauf der Wohnungen, die die Freiburger Stadtbau vor dem Bürgerentscheid an die GAGFAH verkauft hat. Der Gemeinderat sollte prüfen lassen, für welche Wohnungsbestände die Stadt Vorkaufsrechte besitzt (wie bei den GAGFAH-Wohnungen in Herdern).[2]
Nach einer – inzwischen nicht mehr aktuellen – Studie geben die FreiburgerInnen durchschnittlich 44% ihres Einkommens für Miete aus. Das ist viel zu viel! Zumal bei Haushalten mit geringem Einkommen der Schnitt sicherlich noch höher liegt. Unser Ziel ist es, dass niemand mit (unter-)durchschnittlichem Einkommen mehr als 25% des Einkommens für die Miete aufbringen muss. Die Stadt sollte ermitteln, wie der aktuelle Durchschnittswert vor allem bei NiedrigverdienerInnen ist. Eine Studie des Amtes für Statistik hat dies im Jahr 2001 ermittelt.[3] Eine solche Studie sollte regelmäßig erstellt werden, um die Notwendigkeit und Wirkung von wohnungspolitischen Maßnahmen ermitteln zu können.
Es ist unstrittig, dass in Freiburg Neubau notwendig ist. Beim Verkauf von städtischen Grundstücken für Wohnungsneubau darf nicht das Höchstgebot den Ausschlag geben. Es müssen vielmehr soziale Kriterien gelten. Das in Ihrem Antrag formulierte Ziel von 30% gefördertem Wohnraum bei städtebaulichen Verträgen unterstützen wir. Dabei muss es sich aber mehrheitlich um sozialen Mietwohnungsbau und weniger um Förderkredite für WohnungseigentümerInnen handeln.
Auch Ihr Ziel einer besseren sozialen Durchmischung der Stadtteile unterstützen wir. Der Erlass von Satzungen zum Milieuschutz ist dafür sicherlich ein sinnvolles Steuerungsinstrument. Dieser sollte in möglichst vielen Stadtquartieren Anwendung finden. Darüber hinaus sollte die soziale Durchmischung nicht vorrangig durch den Neubau von Eigenheimen in den westlichen Stadtteilen, sondern vor allem durch neuen sozialen Mietwohnungsbau in den östlichen Stadtteilen verbessert werden.
Allerdings kann es auch nicht Ziel städtischer Wohnungspolitik sein, die Armut nur besser zu verteilen. Vielmehr müssen geeignete Maßnahmen gefunden werden, soziale Notlagen zu mindern. Darauf hat die Stadt nur begrenzten Einfluss, den sie aber nutzen sollte, z.B. durch die Einführung eines kommunalen Wohngeldes, um die schlimmsten Auswirkungen des hohen Mietniveaus in Freiburg abzufedern. Eine zentrale Rolle spielt dabei aber auch die Freiburger Stadtbau:
„Die Gesellschaft der Stadtbau und ihre Organe (…) verfolgen in allen Geschäftsbereichen die Zurverfügungstellung von preiswertem Wohnraum im Stadtgebiet Freiburg, sowie die Versorgung einkommensschwacher Bevölkerungsteile, alleinerziehender Eltern, Arbeitsloser, Obdachloser und Jugendlicher“ (Satzung der Freiburger Stadtbau GmbH vom 26.3.2009).
Der Grundsatzbeschluss, die Mieten der Stadtbau-Wohnungen dem Mietspiegel anzupassen, widerspricht diesem Auftrag. Wir bitten Sie dringend, diesen Beschluss aufzuheben! Damit würde die FSB nicht nur ihrem eigenen Auftrag gerecht, sondern auch gegenüber den Freiburger Wohnungsgenossenschaften ein deutliches Signal setzen.
Die Schaffung und Erhaltung von bezahlbarem Wohnraum kostet Geld – ebenso wie ein attraktiver ÖPNV, eine gute soziale Infrastruktur und ein ansprechendes Kulturangebot. Im Gegensatz zu den letztgenannten Beispielen erhält die städtische Wohnungsgesellschaft jedoch keine Zuschüsse aus dem städtischen Haushalt, sondern muss im Gegenteil Gewinne erwirtschaften, von denen die Stadt über den Verkauf von Grundstücken indirekt profitiert. Wir meinen, dass dies in einer Stadt mit einem so großen Wohnungsproblem nicht angemessen ist. Der Freiburger Stadtbau darf nicht länger abverlangt werden, Gewinne zu erwirtschaften.
Zu einem kommunalen Handlungsprogramm zur Wohnungspolitik gehört auch das Thema Wohnungslosigkeit. Hier ist dringend ein Notfallprogramm erforderlich. Das Pilotprojekt in der Uferstraße mit dezentraler Wohnversorgung für Wohnungslose ist ein ermutigender Schritt. Es soll fortgeführt und erheblich ausgeweitet werden. Dabei dürfen sich die bereitgestellten Wohnungen nicht auf wenige westliche Stadtteile konzentrieren.
Abschließend gehört für uns zu einer sozialen Wohnungspolitik auch der Ausbau der Quartiersarbeit in weiteren Stadtteilen. Die Quartiersarbeit fördert die Partizipation und Selbstorganisation von BewohnerInnen, stößt Projekte zur Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität in den Quartieren an und fördert gute Nachbarschaft.
Es ist uns ein großes Anliegen, dass die genannten Punkte in der weiteren Debatte Berücksichtigung finden. Im Rahmen des Bürgerantrags im Jahr 2008 haben wir Ihnen in einer Gemeinderatssitzung unser Mietenpolitisches Programm vorgestellt und mit Ihnen diskutiert. Alle Fraktionen haben damals den Wunsch geäußert, diesen Dialog fortzusetzen. Wir sehen Ihren interfraktionellen Antrag als eine großartige Chance an, dies zu tun, und bitten Sie deshalb herzlich, uns an den weiteren Debatten zu beteiligen.
WiM-Vorstand im März 2012
1 Untersuchungen hierzu: J. Friedrichs, Stadtsoziologie, Opladen 1995 und S. Krätke, Stadt, Raum, Ökonomie, Basel/Boston/Berlin 1999
2 Das Baugesetzbuch regelt gesetzliche Vorkaufsrechte der Gemeinde (§§24-28), die die Stadt nutzen sollte. Insbesondere auch „für Zwecke der sozialen Wohnraumförderung oder die Wohnbebauung für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf“ (§27a).
3 Freiburg (2003): Die Mietkostenbelastung der Haushalte im nicht-preisgebundenen Wohnungsmarktbereich Freiburgs, http://www.freiburg.de/servlet/PB/show/1156364/statistik_infodienst_2003-02.pdf
Das Baugesetzbuch regelt gesetzliche Vorkaufsrechte der Gemeinde (§§24-28), die die Stadt nutzen sollte. Insbesondere auch „für Zwecke der sozialen Wohnraumförderung oder die Wohnbebauung für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf“ (§27a).